Meet me in Ireland – Kapitel 19

Orla starrte Ronan nach, bis der Schein seiner Taschenlampe in der Dunkelheit verschwand. Was war das denn gerade gewesen? 

So abweisend war Ronan nur am ersten Tag ihrer Begegnung gewesen.

Machte er sie etwa dafür verantwortlich, dass Diarmuid weg war?

Sie rieb sich über die Stirn. Der Wind drückte sie wieder gegen die Hauswand. Meine Güte, das war wirklich heftig. Ihr war nicht wohl bei dem Gedanken, dass Diarmuid und Ronan dort draußen waren.

Aber da war noch etwas gewesen, was sie in Ronans Augen gesehen hatte. Er war wütend und gleichzeitig verletzt. Aber warum? Hatte sie ihm etwas getan?

Sie ging wieder ins Haus. Shane stand immer noch im Flur. Oben an der Treppe sah sie die Gesichter der anderen.

„Ronan ist losgegangen und sucht Diarmuid“, sagte Orla.

„Gut“, erwiderte Shane und fügte nach einem Moment hinzu, „er ist der einzige, der sich hier auskennt. Wenn ich mit suchen helfe, bin ich keine Hilfe.“

„Ich vermutlich auch nicht“, sagte Orla und lehnte sich gegen die Wand.

Sie senkte den Kopf und versuchte, die Gefühle zu verarbeiten, die gerade in ihr tobten. 

„Alles okay?“, fragte Shane und legte ihr eine Hand auf die Schulter.

Orla war erstaunt, als sie den Kopf schüttelte fast automatisch. 

„Was ist denn los?“

Orla biss sich auf die Lippe. Sie konnte Shane nicht sagen, dass sie gehofft hatte, dass Ronan sie fragen würde, ob sie bleiben wollte. Shane war so aufgeregt wegen des Jobs und so stolz darauf, dass er ihr das vermittelt hatte.

Kein Wunder, denn sie hatte ihm monatelang die Ohren vollgeheult, dass sie mehr Aufträge brauchte oder wieder kellnern gehen müsste, wie damals im College.

Sie sollte ihm dankbar für diese Möglichkeit sein. Stattdessen dachte sie nur darüber nach, ob es eine Möglichkeit gab, dass sie in Emerald Cliffs bleiben könnte.

„Schon gut. Ich mache mir nur Sorgen um Diarmuid.“

„Das verstehe ich. Aber unser irischer Geppetto wird ihn schon finden. Und zur Not rufen wir die Polizei. Wenn er in einer halben Stunden nicht da ist, rufe ich an. Okay?“

Orla sah ihn verwirrt an. Dann fiel es ihr ein. Geppetto war der Name von Pinnocchios Vater. Der war auch Tischler gewesen.

Doch dann schüttelte sie den Kopf. „Nein. Wir rufen nicht die Polizei. Ronan wird ihn schon finden. Er hat eine besondere Verbindung zu dem Jungen.“

Shane seufzte. „Also gut, wenn du meinst.“

„Meine ich. Es ist besser für das Projekt.“ Darüber hatte sie gar nicht nachgedacht, aber Ronan hatte recht gehabt. Es wäre ein großes Problem, wenn jemand erfuhr, dass Diarmuid von der Polizei gesucht worden war.

Shane warf einen Blick die Treppe rauf. „Kommt schon, Leute. Wir überbrücken die Zeit mit einer Runde Uno. Wer macht mit?“

Orla seufzte und rieb sich über das Gesicht. Vermutlich war das eine gute Idee. Ablenkung war in solchen Situationen immer besser als sitzen und warten.

Die Jugendlichen zögerten, doch Shane forderte sie noch einmal auf und schließlich kamen zuerst die Mädchen und dann die drei Jungen die Treppe runter.

Benny war der Letzte. Er blieb vor Orla stehen und wartete, bis alle anderen im Wohnzimmer waren. „D hat mir von dem Job erzählt. Wollen Sie den wirklich annehmen?“

Der Flurfunk funktionierte hier wieder rasend schnell. „Ich …“, Orlas Kehle wurde eng und sie musste sich räuspern, „Es ist eine sehr gute Gelegenheit.“

„Aber warum bleiben Sie denn nicht hier?“

Orla starrte den Jungen an. „Hierbleiben?“

Er nickte ernst. „Sie finden es hier doch schön, oder? Ich ja nicht. Aber Sie lieben das hier doch. Genau wie D.“

Sie öffnete den Mund, aber kein Wort kam raus.

Benny hob die Schultern. „Ich finde, Sie sollten bleiben. Sie passen gut hierher. Und ich glaube“, fügte er hinzu und lächelte verschmitzt, „Ronan würde sich auch freuen. Er ist voll verschossen in Sie.“

Orla spürte, wie ihre Wangen warm wurden. Es war bescheuert, dass sie mit einem Jugendlichen über so etwas sprach und trotzdem wollte sie mehr hören. Dabei wäre das höchst unprofessionell. 

„Das ist nett, dass du das sagst“, erwiderte sie. „Ich werde sehen.“

Benny runzelte die Stirn. „Sie wollen doch bleiben, oder?“

Orla hob die Schultern. Sagen konnte sie nichts. Natürlich wollte sie bleiben. Aber Ronan machte ja keine Anstalten sie zu fragen, ob sie sich das vorstellen konnte. Im Gegenteil, jetzt wendete er sich auch noch von ihr ab. Kein Wort hatte er über den Job verloren. Vermutlich war er froh, wenn er sie los war.

Jetzt verdrehte Benny die Augen. „Mann, Orla, Sie halten sich nicht an ihre eigenen Ratschläge.“

„Wie bitte?“ Verwirrt schaute sie ihn an.

„Sie haben doch den Mädchen gesagt, dass sie niemals darauf warten sollen, dass ein Mann sie auswählt, sondern ihre eigenen Entscheidungen im Leben treffen sollen.“

„Das hast du gehört?“, fragte Orla entsetzt.

„Klar, wir haben oft an der Wand gelauscht, wenn Sie bei den Mädchen im Zimmer waren. Wollten doch wissen, ob die über uns reden. Caius steht auf Skye. Sie aber nicht auf ihn.“ Er sagte es so dahin. Dann schaute er sie ernst an. „Und jetzt treffen Sie nicht ihre eigenen Entscheidungen. Wenn Sie bleiben wollen, dann tun Sie das doch einfach. Ronan wird das bestimmt auch gut finden. Aber wenn Ihnen die Kohle wichtiger ist, dann machen Sie halt das.“

Orla stand der Mund offen und sie starrte den Jungen an, der ihr in den letzten Wochen so viele Probleme bereitet hatte. Wann war der so weise geworden?

Benny grinste jetzt und wandte sich ab. „Ach übrigens, ich denke D ist bei diesem Mike am Leuchtturm. Da wollte er hin, weil er dachte, dass sein Haus nicht sturmfest ist.“

Das ergab total Sinn. Diarmuid fand den alten Mann faszinierend, das hatte Orla schon bemerkt.

„Hat er dir das gesagt?“, fragte Orla.

Benny nickte. „Ja, vorhin.“

Sie stemmte die Hände in die Hüften. „Warum hast du das nicht früher gesagt?“

Benny hob die Schultern. „Hat mich keiner gefragt.“

„Orla?“, rief Shane aus dem Wohnzimmer. „Kommst du auch?“

In diesem Moment wusste sie, was zu tun war. Benny hatte recht. „Nein“, rief sie. „Ich muss nochmal weg.“

Bevor Shane etwas sagen konnte, riss sie die Haustür auf, die der Wind fast gegen die Wand schmetterte. Benny hielt sie fest.

„Danke“, sagte Orla atemlos.

Der Junge grinste. „Geht doch.“

Benny hatte echt was gut bei ihr. Sie wandte sich um rannte in den Sturm.

Kapitel 20

Ronan keuchte, als er das letzte Stück zum Leuchtturm hinaufging, so heftig war es, gegen den Sturm anzukämpfen. Das Licht über der Eingangstür des Cottages brannte, also hatte Mike wenigstens Strom.

Der Leuchtturm ragte über dem kleinen Haus auf und schickte immer wieder seinen Lichtstrahl in die Sturmnacht.

Eine Böe erfasste Ronan und hätte ihn beinahe umgeworfen. Hier oben an der Steilküste war der Wind wie immer noch viel heftiger.

Er sah, wie eine Gestalt vor dem Cottage entlangging und erleichtert atmete er auf. Es war Diarmuid, das erkannte er an dessen Kapuzenpullover. 

Doch dann fluchte er, als er sah, dass der Junge eine Leiter trug. Er wollte doch jetzt nicht etwa aufs Dach gehen?

Er brüllte so laut er konnte, als Diarmuid die Leiter an das Cottage lehnte. Doch der Wind trug seine Worte einfach landeinwärts.

Ronan wartete eine Lücke zwischen zwei Böen ab und spurtete dann vorwärts. Außer Atem kam er am Cottage an, als Diarmuid gerade den Fuß auf die untere Sprosse stellte.

„Bist du verrückt geworden?“, rief Ronan viel zu laut, denn im Windschatten des Hauses war es ein wenig leiser.

Diarmuid wandte sich um und schaute ihn nur kurz an. Dann schüttelte er den Kopf und deutete nach oben. „Da ist ein Loch, das muss zugemacht werden, bevor alle Ziegel wegfliegen.“

Ronan blickte nach oben, konnte in der Dunkelheit aber nichts sehen. Erst als der Leuchtturm den nächsten Strahl in die Nacht sandte, konnte er es erkennen. Da war tatsächlich ein Loch. Der Junge hatte recht.

„Verdammt.“ Er rieb sich über den Nacken. „Ich fürchte, wir müssen die andere Seite auch noch sichern.“

Diarmuid hob die Schultern. „Schon fertig. Die Fensterläden sind auch dicht. Einer schlug die ganze Zeit hin und her.“

Erstaunt schaute Ronan ihn an. „Du warst die ganze Zeit hier?“

Diarmuid nickte. „Einer muss es ja tun. Und Mike kann es nicht mehr mit seinen Händen.“

Ronan senkte den Kopf und nickte schuldbewusst, weil er darüber nicht nachgedacht hatte. Aber vor ein paar Tagen hatte Liam das Haus kontrolliert und gesagt, dass alles in Ordnung war. Und da man sich auf Liam verlassen konnte, war das auch so. Der Sturm jetzt musste ein paar Ziegelweggerissen haben. 

„Danke, Junge.“

„Schon gut. Ich war rechtzeitig her.“

Ronan schaute nach oben. „Aber das Dach muss dicht gemacht werden.“ Kurz überlegte er Liam anzurufen, dessen Vater ein Bauunternehmer gewesen. Sein Freund führte den Betrieb immer noch weiter, allerdings nur als Nebenbusiness. 

Doch dann fiel ihm ein, dass das Handynetz ausgefallen war. Außerdem musste Liam bei diesem Sturm bei seiner Tochter bleiben. Es hatte keinen Sinn ihn zu gefährden.

„Also gut. Ich gehe aufs Dach und du hältst die Leiter. Wir müssen uns beeilen.“

Diarmuid sah einen Moment aus, als ob er das ausdiskutieren wollte, dann hob er nur die Schultern und reichte Ronan die Werkzeugtasche.

Während der Junge die Leiter hielt, kletterte Ronan so schnell er konnte aufs Dach. Himmel, das war wirklich gefährlich. Aber zum Glück war er ein erfahrener Handwerker.

Er konnte das Loch relativ schnell notdürftig flicken. Er war erstaunt, dass Diarmuid die richtigen Sachen dafür eingepackt hatte.

Zweimal warf ihn der Wind fast vom Dach, doch Ronan klammerte sich an einem Balken fest. Sicherlich sah das nicht sehr elegant aus, aber das war besser als zu stürzen und sich etwas zu brechen.

Als er fertig war, beeilte er sich wieder nach unten zu kommen. Auf dem Weg, der zum Cottage führte, sah er eine Taschenlampe aufblitzen. Er hielt inne und versuchte zu erkennen, wer das war. Aber dafür war es zu dunkel.

Vermutlich einer seiner Freunde, der nachschauen wollte, ob bei Mike alles in Ordnung war. Na, dann würde es ja gleich gemütlich in dem kleinen Haus werden.

„Ich bringe die Leiter weg“, sagte Diarmuid. 

Doch Ronan schüttelte den Kopf. „Wir lassen sie hier. Leg sie auf den Boden an die Wand.“

„Aber sie fliegt dann weg.“

„Wir beschweren sie mit Holz.“ Ronan wies auf den Stapel mit den riesigen Holzstücken, die Mike irgendwann mal vom Strand aufgelesen und hier hoch gebracht hatte. 

Er öffnete den Verschlag und nahm sich das größten Stück, das er sehen konnte.

Der Regen peitschte ihm jetzt in die Augen und er hatte langsam genug von diesem Sturm.

Er wuchtete das Holz auf die Leiter und drückte sie so gegen die Wand. „Eins noch auf der anderen Seite.“

Diarmuid wählte ebenfalls ein großes Stück aus. Er ging ein paar Schritte damit, dann blieb er stehen.

Er sagte etwas, doch Ronan verstand ihn nicht. „Was?“, brüllte er.

Der Wind tobte heftig.

Diarmuid hob das Holz hoch. „Leuchte es an“, schrie er.

Ronan hob seine Taschenlampe und richtete das Licht auf das Holz in Diarmuids Händen. Und dann sah er das glückliche Gesicht des Jungen.

„Das ist es!“, schrie der.

Es dauerte einen Moment, bis Ronan begriff, aber dann sah er es auch. Das Stück Holz war perfekt für Diarmuids Skulptur.

Er konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Irgendwann kam das richtige Holz immer.

„Bring es zur Tür, wir nehmen es mit rein.“ Dann nahm er ein anderes Stück Holz und sicherte die Leiter.

Diarmuid stand wie angewurzelt und starrte das Holz an. Er seufzte glücklich und Ronan konnte es ihm nicht verdenken. Nun, wenigstens einer, bei dem es heute Abend gut lief.

Er dachte an Orla und fragte sich, ob er sie anrufen sollte, dass er Diarmuid gefunden hatte. Doch er wusste nicht, ob das Festnetz noch funktionierte.

Auf einmal wandte Diarmuid den Blick auf den Weg. „Da kommt Orla“, rief er.

Für einen Moment glaubte Ronan, dass er ihn falsch verstanden hatte. Aber als er sich umdrehte, sah er auch, dass sich tatsächlich Orla den Weg zum Cottage rauf kämpfte.

Eine Böe packte sie und riss sie zu Boden. Sie schlitterte ein Stück und ließ die Taschenlampe fallen.

Diarmuid wollte sich in ihre Richtung bewegen, aber Ronan wies auf die Tür. „Geh rein. Ich mach das.“

Dann rannte er los.

Er hatte so viel Rückenwind, dass er den Abhang nur so entlangflog.. Als er bei Orla ankam, rappelte sie sich gerade wieder auf. Er hatte Mühe zu bremsen und schoss ein Stück an ihr vorbei.

Doch dann drehte er sich in den Wind und kämpfte sich wieder zu ihr.

Gerade war eine Böenpause, so als ob der Wind tief Luft holte.

Ronan zog Orla auf die Beine. „Was tust du hier?“, rief er. „Ist dir was passiert?“

Sie schüttelte den Kopf und packte ihn an den Unterarmen. „Ich habe eine Entscheidung getroffen“, brüllte sie.

Der Wind packte sie wieder und dieses Mal hielt Ronan sie fest, doch der Sturm drückte Orla an ihn. Schützend legte er die Arme um sie. Es tat gut sie zu halten. Aber sie waren noch nicht in Sicherheit.

„Komm mit“, rief er ihr ins Ohr, war sich aber nicht sicher, ob sie ihn verstanden hatte.

Er hob ihre Taschenlampe auf und gebeugt gegen den Wind, kämpften sie sich das letzte Stück zum Cottage hinauf.

Als sie im Windschatten ankamen, atmeten sie beide erleichtert auf.

Ronan wandte sich ihr zu. „Wie kommst du auf die Idee, bei dem Sturm hierherzukommen?“ Ungläubig schaute er sie an. Sie konnte froh sein, dass ihr nichts passiert war.

„Ich musste dich sehen.“ Ihre Wangen waren rot, ihre Haare nass und vollkommen durcheinander, doch ihre blauen Augen leuchteten.

„Jetzt?“, fragte er fassungslos. „Es ist gefährlich hier oben. Lebensgefährlich.“

Sie nickte und atmete tief durch. „Das weiß ich jetzt auch. Aber ich wollte dir unbedingt etwas sagen.“

Er zog sie noch etwas weiter in den Windschatten des Hauses. „Geht es dir wirklich gut?“

Sie nickte, dann straffte sie die Schultern. „Es tut mir leid, dass ich vorhin so ungerecht war. Ich hätte dir keine Vorwürfe machen sollen.“

„Schon gut“, sagte Ronan. War sie nur deswegen hierher gekommen? Er musste ihr definitiv etwas über die Gefährlichkeit von diesen Atlantikstürmen beibringen. Sie hätte sterben können. Er durfte nicht einmal daran denken.

Sie seufzte. „Das war noch nicht alles. Mir ist vorhin etwas klar geworden.“ Sie hob den Kopf und schaute ihn an. Sie wirkte so entschlossen. „Also eher gesagt hat Benny mich daran erinnert, was ich selbst mal gesagt habe.“

„Benny?“, fragte Ronan verwirrt. Was hatte der damit zu tun? Irgendwie kam er nicht mehr mit.

Sie lächelte schief. „Genau der. Er hat mir daran erinnert, dass ich mal gesagt habe, dass man nicht darauf warten soll, gefragt zu werden. Es ist wichtig, seine eigenen Entscheidungen zu treffen und sein Leben in die Hand zu nehmen. Und das habe ich getan.“ Jetzt nickte sie bestimmt.

Ronan starrte sie an. Sein Herz schlug schmerzhaft schnell. „Das heißt, du nimmst den Job an?“

Orla stand ganz still, dann schüttelte sie den Kopf. „Nein, ich habe mich entschieden, dass ich hierbleiben will. In Emerald Cliffs. Und vorhin war ich so doof zu dir, weil ich gehofft habe, dass du mich fragst, ob ich nicht bleiben will. Aber das hast du nicht und das ist auch okay. Und jetzt habe ich mich entschieden, dass ich nicht darauf warten will, gefragt zu werden. Ich kann meine eigenen Entscheidungen treffen. Ich will bleiben.“

Ronan starrte sie an. „Du willst hierbleiben?“ Ihre Worte machten ihn fassungslos. Vielleicht auch, weil sie mitten in einem Sturm auf einer Steilküste standen und sie diesen gefährlichen Weg auf sich genommen hatte, um ihm das zu sagen. Das war doch Irrsinn.

Sie schaute ihn ruhig an. „Ja, das würde ich gern.“

Er schaffte es kaum, seine Gedanken zu sortieren. „Meinetwegen?“, fragte er und strauchelte ein wenig, weil eine Sturmböe sich hinters Haus verirrt hatte.

Sie zögerte kurz, dann straffte sie die Schultern. „Ja und nein. Ich bleibe,weil ich es will. Nicht für dich, sondern für mich.“

„Aber …“, brachte er nur hervor, während sein Herz vorsichtig Hoffnung schöpfte. Damit hatte er wirklich nicht gerechnet. 

Sie studierte sein Gesicht. „Wenn du das nicht willst, dann wäre es gut, wenn du mir das jetzt sagst. Dann kann ich mich darauf einstellen.“

Ronan runzelte die Stirn. Und dann? Würde sie den Job dann doch annehmen und für immer weggehen? Was war, wenn das mit ihnen nicht klappte? Er war nicht für solche Beziehungen gemacht. Er wollte nicht die Verantwortung dafür haben, dass sie hier in Emerald Cliffs strandete und es dann mit ihnen nicht funktionierte.

Er öffnete den Mund, wusste aber nicht, was er sagen sollte.

Orla schaute ihn erst hoffnungsvoll an, dann wurde sie immer ernster und schließlich presste sie die Lippen zusammen. „Ich verstehe“, sagte sie schließlich so leise, dass er sie über das Rauschen des Windes kaum verstehen konnte.

Ronan schloss die Augen. Was sollte er tun? „Ich will nicht, dass du meinetwegen bleibst.“ Die Worte waren heraus, bevor er darüber nachdenken konnte.

Sie starrte ihn an und schluckte hart. „Okay“, sagte sie schließlich. „Ich dachte, wir hätten etwas Besonderes.“

Sie wollte an ihm vorbeigehen und als er begriff, dass sie wieder den Weg zurück ins Dorf nehmen wollte, hielt er sie fest und zog sie an sich. „Das ist zu gefährlich.“

„Lass mich gehen“, sagte sie.

Doch er zog sie wieder näher zum Haus. „Orla, wir haben etwas Besonderes. Aber …“

Eine Windböe rammte den Verschlag mit dem Treibholz und Ronan hatte Sorge, dass gleich alles durch die Gegend fliegen würde.

„Warte kurz“, rief er und rannte zum Verschlag, um ihn wieder zu schließen.

Als er sich umdrehte, war Orla zu seiner Erleichterung immer noch da. Sie hatte die Arme um den Oberkörper geschlungen und sah so verletzlich aus.

Auf einmal wollte er ihr nur noch nah sein.

Er ging wieder zu ihr und stellte sich so vor sie, dass sein Körper sie vor dem Wind schützte. „Wir hatten etwas Besonderes“, sagte er. Dann schüttelte er den Kopf. „Wir haben. Nicht hatten.“

„Aber warum willst du dann nicht, dass ich bleibe?“

Ronan biss kurz die Zähne zusammen. Er hatte es falsch ausgedrückt, wie immer. „Ich will dass du bleibst. Aber, Orla, ich kann dir nichts bieten.“

Sie runzelte die Stirn. „Was redest du denn da?“

„Ich kann dir nicht das bieten, was du in diesem Job kriegen wirst. Das Leben hier ist einfach und nicht sehr glamourös.“

Eine Falte bildete sich zwischen ihren Augenbrauen. „Glaubst du wirklich, dass ich es glamourös will? Kennst du mich überhaupt?“

„So meinte ich das nicht.“

„Dann erkläre es mir bitte, denn es hörte sich so an.“ Sie musste schreien, da der Wind wieder so laut war.

Ronan überlegte, ob sie reingehen sollten, aber da drinnen waren Diarmuid und Mike. Für dieses Gespräch wollte er kein Publikum. Aber er stellte sich so, dass er Orla noch ein bisschen besser schützte. Auf einmal hatte er Sorge, dass sie wegflog.

„Ich will dir alles geben, was du willst“, sagte Ronan. „Und wenn es dieses Angebot ist, dann nimm ihn.“

Orla schüttelte heftig den Kopf. „Ich will diesen blöden Job aber nicht. Selbst wenn du nicht mit mir zusammen sein willst und ich Emerald Cliffs wieder verlasse, so werde ich das Angebot nicht annehmen. Das ist nicht meine Welt.“

Sein Herz schlug schneller und vorsichtige Hoffnung machte sich in ihm breit. „Das heißt, du würdest doch meinetwegen hierbleiben?“ Konnte er seine Worte von eben noch zurücknehmen und ihr sagen, dass er doch wollte, dass sie seinetwegen blieb? 

Himmel, warum waren solche Gespräche so schwierig? Es stand so viel auf dem Spiel und wenn man mit Worten so wenig vertraut war wie er, dann hatte man keine Chance. Aber er musste ihr sagen, dass er nichts lieber wollte, als mit ihr zusammen zu sein.

Nachdenklich schaute sie ihn an und Ronan verlor fast den Verstand während er darauf wartete, dass sie etwas sagte. 

Sie kautet auf ihrer Unterlippe und sagte dann: „Ich wäre nicht von dir abhängig, falls du davor Angst hast.“

„Ich habe keine Angst.“ Dabei war das gelogen. Die Angst hatte ihn im festen Würgegriff, aber allerdings nur davor, dass er sie verlieren könnte.

Sie lächelte traurig, als ob sie wüsste, dass das nicht stimmte. „Ich habe schon ein paar Aufträge als Grafikdesignerin.Zum Beispiel habe ich Marion und Liam versprochen habe, für sie ein neues Design zu erstellen.“

„Du arbeitest für Liam?“, fragte Ronan verwirrt. Dieses Gespräch nahm zu viele Wendungen.

Orla verdrehte die Augen. „Nein, er hat nur ein neues Design für die Schmiede bei mir beauftragt und für sein Bauunternehmen braucht er eine neue Website. Das Gleiche gilt für Marion für Emerald Cliffs offizielle Website und die Veranstaltungen. Sie hat natürlich tausende Ideen.“ Orla zögerte. „Ich könnte das natürlich auch von Dublin aus machen. Aber eben auch von hier aus. Du brauchst nichts für mich zu tun. Marion hat mir neulich schon gesagt, dass ich in ihr Fremdenzimmer ziehen könnte, wenn ich mich entscheide, außerhalb des Projektes nochmal hierher zu kommen.“ Sie lächelte. „Siehst du, du brauchst mir gar nichts bieten. Ich kann das alles allein organisieren. Alles, was ich will, ist mit dir Zeit zu verbringen und mit dir zusammen sein. Richtig. Offiziell.“ Sie brach ab und hob die Schultern. „Du musst mir nichts bieten, Ronan. Es reicht, dass du so bist, wie du bist.“

Auf einmal wurde ihm etwas klar. Da stand diese wunderbare Frau vor ihm, die für ihn durch einen Sturm gelaufen war, um ihm zu sagen, dass sie mit ihm zusammensein wollte und er fand tausend Gründe, um es ihr auszureden. Dabei wollte er doch nichts mehr als das.

„Ich bin ein Idiot“, sagte er viel zu laut, weil der Wind gerade Luft holte. „Ich bin so ein verdammter Idiot“, wiederholte er leiser. „Ich will dich mehr als alles andere auf dieser Welt.“

Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. „Wirklich?“

Er nickte und zog sie an sich. Als er ihr Gesicht in beide Hände nahm, strahlte sie. 

Sanft strich er mit dem Daumen über ihre regennasse Wange. „Es tut mir leid, dass ich so starrsinnig bin. Aber ich …“, er brach ab.

„Was, Ronan?“, fragte sie leise. „Du kannst mir alles sagen.“

Er zögerte einen kurzen Moment, dann nahm er all seinen Mut zusammen. „Ich glaube, mir wurde so oft in meinem Leben gesagt, dass ich nichts wert bin, dass ich es nicht glauben kann, dass jemand wie du, einen Mann wie mich wirklich willst.“

Ihr Blick wurde weich. „Natürlich will ich dich. Du bist der tollste Mann, den ich mir vorstellen kann. Mit allen Ecken und Kanten. Gerade die machen dich besonders liebenswert.“

Ronan glaubte, dass seine Brust zerspringen müsste. Es fiel ihm schwer zu atmen. 

Orla lächelte sanft. „Aber ich kenne diese Angst, nicht gewollt zu werden. Da bist du nicht allein.“ Ihre Augen funkelten verschmitzt. „Deswegen brauchte es bei mir ja auch Benny, damit ich verstehe, dass ich mich für mich entscheiden muss und dann alles gut wird.“

Ronan schüttelte leicht den Kopf. „Ich hätte ja mit vielem gerechnet, aber nicht damit, dass ausgerechnet er uns zusammenbringt.“

Das letzte Wort wurde von einer heftigen Sturmböe verschluckt und Ronan zog Orla fest an sich. Tief atmete er ihren süßen Geruch ein und genoss es, sie so zu fühlen. In diesem Moment schwor er sich, dass er alles tun würde, damit sie sich hier in Emerald Cliffs und bei ihm wohlfühlte.

„Lass uns reingehen“, sagte er.

Doch Orla schüttelte den Kopf. „Gleich. Küss mich erst.“

Und das tat er und noch nie hatte er einen Kuss so genossen wie diesen hier. 

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6 Gedanken zu „Meet me in Ireland – Kapitel 19“

  1. *seufts*
    Soooo schön.
    Hach, nun mache ich die Hühnersuppe warm, passt irgendwie zu dem Wetter von orla und Ronan

  2. Ursula Schrader

    Oh, ist das trotz der Dramatik schön. Aber sicher wird Shane bei allem querschießen und jedem Steine in den Weg legen.
    Ich bin gespannt auf die nächsten Kapitel.
    Liebe Grüße
    Ursula

  3. Eine ganz tolle Liebesgeschichten.Freue mich schon riesig auf die nächsten
    Kapitel.
    Noch mehr freue ich mich auf das Buch,wenn ich es in den Händen halten kann.
    Viele liebe Grüße
    Olga

  4. Die erste Hürde ist genommen. Bin froh das er noch geredet hat .
    Bin gespannt wie es weitergeht .
    Lieben Gruß Christina (Chrischa)

  5. Endlich haben beide den mut gehabt es auszusprechen was ihnen schon lange auf der Seele brannte bin gespannt wie es Shane aufnimmt und wie es weitergeht.

  6. …ich war gerade selbst in Irland und kann mir das alles jetzt noch viel besser vorstellen! Sooooo schön 🤩
    Ich freu mich auf die Fortsetzung?

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