Steven
Kritisch betrachtete Elizabeth das Ruderboot und Steven musste lächeln. Diesen Blick hatte er erwartet.
„Du hattest dir etwas anderes vorgestellt, stimmt’s?“
Schnell schüttelte sie den Kopf. „Nein. Es ist alles wunderbar. Ich dachte nur …“, sie brach ab und verschränkte die Arme. „Weißt du, so schlimm ist es mit meiner Angst auch nicht, dass wir auf einem so kleinen See anfangen müssen.“
„Aber hier sind keine Wellen und wenn wir ins Wasser fallen, können wir selbst an der tiefsten Stelle immer noch stehen. Ich habe es gestern Nachmittag ausprobiert.“
Sie stieß einen winzigen empörten Laut aus, als ob das unter ihrer Würde wäre.
Er tat, als ob er das nicht gehört hätte und fuhr fort: „Wir müssen klein anfangen. Wenn alles gut geht, arbeiten wir uns sehr schnell hoch.“
Steven schob das Ruderboot ins Wasser, das Wasser umspülte kühl seine Füße. Er war dankbar dafür, dass es in Maine nicht nur sehr viel Küste gab, sondern auch unzählige Seen im Inland. In North Carolina konnte man das Wasser im Marschland direkt hinter der Küste nur sehr schwer befahren. Dort gab es viel zu viele Alligatoren und Schlangen. Hier im Norden war alles entspannter.
Elizabeth hob eine Augenbraue. „Wir werden uns schnell hocharbeiten, sehr schnell sogar, keine Sorge. So empfindlich bin ich auch nicht.“
„Gut.“ Er senkte den Kopf, um sein Lächeln zu verbergen. Das war genau der Grund, warum er das Ruderboot auf diesem winzigen See ausgewählt hatte. Er wusste, wie wettbewerbsorientiert sie sein konnte, auch wenn sie das nur ungern zugab. Aber genau da hatte er sie packen wollen, bei ihrem Ehrgeiz, damit sie ihre Angst vergaß.
Er betrachtete Elizabeth, wie sie am Ufer stand, mit verschränkten Armen und einem leicht indignierten Gesichtsausdruck. Heute trug sie Shorts und ein ärmelloses Top. Ihre Haut glänzte, da sie sich sorgfältig eingecremt hatte. Ihr Make-up war makellos und ihre blauen Augen blitzten. Und alles an ihr sagte, dass sie eine absolute Südstaatenlady war. Er konnte sich kaum an ihr sattsehen.
Er streckte ihr die Hand hin. „Sollen wir?“
Sie nickte hoheitsvoll und lächelte dann. „Ich dachte schon, du fragst nie.“
Elizabeth ergriff seine Hand und stieg ins Boot. Er hielt ihre Finger fest, bis sie sich gesetzt hatte. „Geht es?“
„Steven Baker“, schalt sie ihn. „So schlimm ist es auch nicht.“
„Ich will nur sicherstellen, dass es dir gut geht.“
„Danke, es ist alles in Ordnung.“
„Ich werde jetzt das Boot weiter ins Wasser schieben und dann einsteigen. Es wird ein wenig wackeln. Am besten hältst du dich fest.“
Sie atmete tief durch und schaute ihn durchdringend an. „Ich bin kein kleines Kind, Steven. Ich habe nur ein wenig Angst vor dem Meer. Du musst mir nicht alles erklären. Vermutlich bin ich als Kind viel häufiger auf dem Wasser gewesen als du. Bist du nicht eher im Inland aufgewachsen?“
Er lächelte und stieg ins Boot. Sein Plan ging auf. Wenn sie so kratzbürstig wurde, dann konzentrierte sie sich auf andere Dinge, als darauf, dass sie jetzt auf dem Wasser waren.
Als er die Ruder ergriff, fragte er: „Warum bist du früher oft auf dem Wasser gewesen?“
„Mein Großvater war Fischer. Und er hat uns Kinder oft mitgenommen.“
Er ruderte langsam auf den See hinaus. Lautlos glitten sie über das stille Wasser. „Wie war das für dich? Hast du dich bei ihm wohlgefühlt? Was war er für ein Mensch?“ Er konnte schon an ihrer Stimme hören, dass sie ihren Großvater gemocht hatte und tatsächlich leuchteten ihre Augen auf.
„Er war einfach wundervoll. Immer hatte er ein offenes Ohr für uns Kinder. Er hat uns die Natur erklärt und war immer für jeden in der Gemeinschaft da, wenn man ihn brauchte. Er war so verlässlich.“
„Das ist etwas, was dir wichtig ist, nicht wahr?“ Er selbst konnte auch verlässlich sein und er hoffte, dass sie das auch wusste.
Sie nickte. „Meine Großeltern und auch meine Eltern haben mir das vorgelebt und ich habe auch immer versucht, es an meine Söhne weiterzugeben.“
„Und ich denke, es ist dir geglückt.“ Sie waren auf der anderen Seite des Sees angekommen und Steven ruderte rückwärts, damit er wenden konnte.
Sie hob die Schultern. „Ich hoffe es immer. Schließlich war Richards Tod ja ein Moment, der alles verändert hat, worauf sie sich vorher hatten verlassen können.“
Steven ruderte weiter, bemüht keinen Laut zu machen und ertappte sich dabei, dass er die Luft anhielt. Elizabeth war auf dem Wasser, auch wenn es nur ein sehr flacher See war und sprach über Richards Tod. Aber es schien sie gar nicht zu kümmern, denn sie hielt sogar eine Hand ins Wasser und ließ es durch ihre Finger gleiten.
„Aber die Jungs hatten immer dich“, sagte Steven leise.
Elizabeth atmete tief durch. „Und darüber bin ich sehr froh. Aber wie du selbst weißt, ist es nicht leicht, Kinder allein großzuziehen.“ Sie zögerte. „Hast du eigentlich noch Kontakt zu Isabella?“
Steven schüttelte den Kopf. „Nein.“ Er fragte sich, wann er zum letzten Mal mit Elizabeth über seine Ex-Frau gesprochen hatte.
„Stört es dich, wenn wir über sie reden?“
Er hob die Augenbrauen. „Über Isabella? Nein. Als sie uns damals verlassen hat, war sie für mich erledigt. Welche Frau lässt ihre Kinder zurück? Dass sie mich nicht mehr wollte, war ja in Ordnung. Aber die Kinder? Das war unverzeihlich. Mit so einem Menschen möchte ich nichts zu tun haben. Mir ist Verlässlichkeit auch wichtig. Deswegen habe ich dich schon immer so bewundert.“ Er zögerte, doch dann wagte er es doch. „Allerdings nicht nur deswegen. Ich bewundere dich insgesamt, Elizabeth.“
Er lenkte das Ruderboot im Kreis, damit sie nicht schon wieder ans andere Ufer stießen und noch ein wenig Zeit hatten sich zu unterhalten, jetzt da er gerade einen kleinen Vorstoß gewagt hatte. Er wusste auch nicht, warum es ihm bei ihr so schwerfiel. Sie machte ihn einfach nervös.
Elizabeth hob den Blick und wirkte amüsiert. „Steven, du weißt, dass du nicht mit mir flirten musst. Ich werde das hier vor meinen Freundinnen zwar als ein Date deklarieren, aber es ist keins. Hier geht es nur darum, dass ich meine Angst vor Wasser verliere.“
Er schluckte und beschloss, nichts weiter in der Richtung zu sagen. Himmel, es war wirklich schwer, mit einer Frau zu flirten, die er schon so lange kannte. „Und? Klappt es? Das mit dem Wasser meine ich.“
Sie seufzte. „Auf jeden Fall. Auch wenn mir langsam schwindelig wird, weil wir immer im Kreis fahren auf dieser Pfütze.“
Das war genau das, was er hören wollte. „Sehr gut. Dann können wir den Schwierigkeitsgrad ja etwas erhöhen.“
„Wunderbar. Was schwebt dir vor? Ein Tretboot?“
Er mochte das Funkeln in ihren Augen.
Doch er schüttelte den Kopf. „Das wäre zu leicht für dich. Nein, ich hatte an Standup-Paddeling gedacht.“
Verblüffung trat in ihre Augen. „Ist das nicht etwas für junge Leute?“
„Nein, das kann jeder machen und es ist sehr entspannend. Fast meditativ. Vor allem wenn man allein auf dem Wasser ist.“ Doch dann fügte er schnell hinzu: „Zu zweit macht es aber auch viel Spaß.“
Sie runzelte die Stirn. „Ich weiß nicht, ich habe das Gefühl, dass ich mich unglaublich blamieren werde.“
„Das denke ich nicht. Wenn ich daran denke, was für einen guten Gleichgewichtssinn du hast, dann wirst du es ganz schnell lernen. Und selbst wenn nicht, dann kannst du so oft vom Board fallen, wie du willst. Hier sieht dich keiner.“
Sie blickte sich kritisch um. „Werden wir für immer auf diesem See bleiben?“
Steven lächelte und genoss das knirschende Geräusch, als das Boot auf dem Sand am Ufer auflief. Er hatte keine Eile von diesem See wegzukommen, denn hier war es friedlich und ruhig. Die Sonne schien und vereinzelte kleine Wolken trieben am Himmel vorbei. Die leichte Sommerbrise war herrlich und das Beste war: Sie waren vollkommen allein und ungestört.
„Ja, ich denke, das ist das Beste. Für später habe ich ein Picknick mitgebracht. Das heißt, wir werden nicht den ganzen Tag auf dem Wasser sein, sondern es uns auch ein wenig gutgehen lassen. Ich hoffe, du magst noch einmal Hummersandwiches mit mir essen. Und keine Sorge, sie sind gut gekühlt. Ich habe sie mir von einem der Restaurants in Belfast einpacken lassen.“
Sie lächelte. „Ein Picknick klingt hervorragend. Besser als Standup-Paddeling. Ich bin mir nicht sicher, ob das etwas für mich ist. Dafür bin ich doch viel zu alt.“
Steven stieg aus dem Ruderboot. „Man ist niemals zu alt. Und was meinst du, wie deine Söhne und Schwiegertöchter staunen werden, wenn du ihnen erzählst, dass du das jetzt kannst. Das werden sie niemals von dir erwarten.“
Sie griff nach seiner Hand, als sie aufstand und da war wieder dieses ehrgeizige Funkeln in ihren Augen. „Eigentlich hast du recht. Es ist die Gelegenheit, ihnen zu beweisen, dass ich noch nicht so alt bin, wie sie manchmal denken.“
Sie sprang auf den Sand vor ihnm und Steven konnte nicht anders, als ihre Hand noch einen Moment lang festzuhalten. Er wollte irgendetwas sagen, was dazu führte, dass er sie an sich ziehen konnte. Aber er wusste nicht was.
Elizabeth lächelte ihn an und drückte seine Finger. „Ich bin so dankbar, dass du das mit mir machst. Das Ruderboot war gar nicht so schlimm. Und jetzt habe ich richtig Lust auf das Standup-Paddeling bekommen. Ich danke dir von Herzen!“
Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf die Wange. Ihm war, als würde sein Herz einen Schlag aussetzen. Das war die Gelegenheit, aber dann dachte er daran, dass sie einen Kuss auf die Wange sicherlich nur freundschaftlich und nicht zärtlich meinte. Und dann war der Moment vorbei, denn sie entzog ihm ihre Hand. „Wir sollten öfter solche Dates machen.“ Das Wort Dates setzte sie mit den Fingern in imaginäre Anführungszeichen und Steven musste sich zu einem Lächeln zwingen. Wenn es doch nur ein richtiges Date wäre, dann könnte er auch etwas forscher in seinen Komplimenten sein.
Jetzt lachte sie und deutete auf das Auto. „Was ist denn das für ein Gesicht? Kneifst du jetzt etwa?“
Er schüttelte den Kopf. „Ich habe nur Hunger.“
Doch sie schüttelte den Kopf. „Essen gibt es später. Jetzt will ich endlich noch mutiger sein.“
Er folgte ihr zum Pickup, auf dessen Ladefläche die Boards festgeschnallt waren. Er würde ihr gern helfen, mutiger zu sein und fragte sich gleichzeitig, ob er jemals selbst mutig genug sein würde, ihr seine Gefahren Gefühle zu gestehen.
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