
Ronan
Ronan starrte zur Tür. Er fühlte, wie seine Schultern sich anspannten. “Ich habe wirklich keine Zeit.”
Marion schüttelte den Kopf. „Natürlich hast du Zeit. Du willst nur nicht.” Ihre Stimme klang bestimmt, aber liebevoll. Das war früher schon so gewesen, als er bei Patrick in der Lehre gewesen war und er Marion meist mehr gesehen hatte als seine eigene Mutter. Aber er war keine sechzehn mehr, sondern sechsunddreißig.
Ronan wollte jetzt aber wirklich nicht mehr der Projektleiterin sprechen. Er musste erst mal darüber nachdenken, ob er das Projekt mit der Werkstatt machen wollte. Dafür brauchte er Ruhe, die er in diesem Moment nicht hatte.
Doch aus dieser Situation kam er nicht mehr einfach so raus, ohne vollkommen unhöflich zu sein. Es hieß jedoch nicht, dass er die Frau mit offenen Armen empfangen musste. Also ging er zur Wand, an der die Spachtel und Hobel hingen und fing an sie zu sortieren. Das vertraute Gewicht der Werkzeuge in seinen Händen beruhigte ihn ein wenig. Und so stand er nicht nur dumm rum.
Marion ging zur Tür und öffnete sie.
“Ich hoffe, ich bin nicht zu früh”, hörte er eine Frauenstimme. Merkwürdigerweise kam ihm die bekannt vor. Dieser weiche amerikanische Tonfall. Sein Magen zog sich zusammen. Er nahm den letzten Spachtel aus der Leiste und drehte sich nicht um, obwohl er zu gern gewusst hätte, ob er mit seiner Vermutung recht hatte.
“Nein, du bist genau richtig. Ich möchte dir jemanden vorstellen, der uns vielleicht beim Projekt helfen könnte.”
Ronan biss die Zähne zusammen und atmete tief durch die Nase ein. Noch immer fragte er sich, wie er aus der Situation entkommen konnte.
“Das wäre wunderbar. Wir können jede Hilfe gebrauchen.” Die Stimme klang warm und enthusiastisch. Jetzt war er sich sicher, dass sie es war.
Und langsam wurde es peinlich, dass er so tat, als ob er zu viel zu tun hätte, um sie zu begrüßen.
Er wusste dass die Projektleiterin die Frau vom Strand war, bevor er sie sah. Da stand sie. Wilde braune Locken, blaue Augen. Doch dieses Mal trug Orla Shorts und ein T-Shirt und nicht das Sommerkleid. Sie sah genauso bezaubernd aus wie am Morgen.
Sie lächelte. “Ronan.” In ihrer Stimme schwang Überraschung mit.
“Ihr kennt euch?”, fragte Marion. Ihre Augen blitzten neugierig auf, als sie von einem zum anderen schaute. „Woher denn?“
In diesem Moment wurde Ronan klar, was Orla Marion erzählen könnte. Das war überhaupt nicht gut. Wieder biss er die Zähne zusammen.
Orla öffnete den Mund, um etwas zu sagen.
“Heute Morgen haben wir uns kurz kennengelernt. Orla Murphy, richtig?” Er kam ihr zuvor. Das war immer besser.
Sie nickte und lächelte, schwieg aber.
“Wo habt ihr euch denn kennengelernt?”, hakte Marion nach. Sie konnte es einfach nicht lassen. Da sie Bürgermeisterin war, glaubte sie, dass sie über alles in diesem Ort bescheid wissen müsste. Aber die meisten Bewohner waren anderer Meinung. Und das mit Bran ging sie wirklich nichts an. „Sie sind doch gestern Abend erst spät angekommen.“
Orla lächelte. „Ich habe mir heute morgen Emerald Cliffs angeschaut und mich dabei verlaufen. Aber zum Glück habe ich Ronan getroffen und konnte ihn nach dem Weg fragen. Da sind wir ein bisschen ins Plaudern gekommen.” Orlas Stimme klang ruhig und gelassen.
Marion schaute skeptisch zwischen den beiden hin und her. “Mir war gar nicht klar, dass du plaudern kannst, Ronan.”
Ronan sagte nichts dazu. Es hatte keinen Sinn, Marion zu erklären, dass sie sich nicht wirklich unterhalten hatten. Gleichzeitig war er erleichtert, dass Orla anscheinend nicht eine von der Sorte Mensch war, der gleich alles ausplauderte.
Aber nur, weil sie jetzt den Mund gehalten hatte, hieß das nicht, dass sie das nicht noch irgendwann tun würde. Er wünschte sich, dass sie heute Morgen nie am Strand gewesen wäre.
Marion schaute noch einmal zwischen ihnen hin und her, dann hob sie die Schultern. Orla lächelte sie freundlich und unverbindlich an. Ronan merkte, wie er sich ein wenig entspannte.
„Orla ist die Projektleiterin und und früher angereist, um alles für die Jugendlichen vorzubereiten“, erklärte Marion jetzt. „Und das ist Ronan Flannagan, aber das weißt du ja schon. Er ist Tischler und hat bei meinem verstorbenen Mann gelernt. Und unter uns: Ronan ist der beste Tischler, den Sie in Irland finden können. Aber sag es ihm nicht, er schnappt sonst möglicherweise über.“
Orla lächelte Ronan an. „Ich glaube nicht, dass er einer von der Sorte ist, der leicht überschnappt.“
Ronan hatte keine Ahnung, was er dazu sagen sollte und wünschte sich einfach nur weit weg.
Marion breitete die Arme aus. “Also, das ist die Werkstatt. Ich hatte dir ja die Bilder geschickt. Aber jetzt siehst du sie endlich in echt.“
Orla schaute sich um. Ihre Augen leuchteten auf. “Sie ist viel größer als ich dachte. Perfekt! Hier können wir mit fünf bis sechs Jugendlichen arbeiten.”
“Fünf bis sechs?”, fragte Ronan.
“So viele sind angemeldet.“
Ronan schaute sich um. „Das könnte eng werden.“
Orla schüttelte den Kopf. „Sie brauchen jeder nur einen kleinen Arbeitsplatz und davon gibt es hier doch genug.“ Sie deutete auf die drei großen Werkbänke.
Ronan verschränkte die Arme. „Das sind aber verschiedene Arbeitsplätze. Der da ist zum Sägen, der zum Leimen und der da drüben zum Lackieren.“ Zumindest war es früher so gewesen.
„Da es ja keine Werkstatt mehr im herkömmlichen Sinne ist, könnt ihr die Arbeitsplätze ja einfach anders aufteilen“, sagte Marion.
Ronan atmete tief ein.
Orla legte den Kopf schief. „Was würdest du denn vorschlagen, Ronan? Und ist es okay, wenn ich Ronan sage? Ich fürchte, da kommt die Amerikanerin in mir durch.“
Aber es war Marion, die antwortete. „Natürlich kannst du das. Wir sind nicht so formell hier in Emerald Cliffs.“
Doch Orla hatte ihre volle Aufmerksamkeit auf ihn gerichtet und schaute ihn fragend an. Schließlich nickte er, um ihr zu signalisieren, dass es für ihn auch in Ordnung war.
Sie lächelte. „Also, was würdest du vorschlagen, wie wir es machen? Ich fürchte, dass wir keine Zeit mehr haben, noch eine andere Werkstatt zu suchen. Deswegen müssen wir das Bestmögliche daraus machen. Und da du der Experte ist, entscheidest am besten du, wie wir die Werkstatt aufteilen. Gehen wir also mal von sechs Jugendlichen aus.“
Ronan dachte einen Moment lang nach. „Möglicherweise können wir die Arbeitsplätze nach Aufgaben beibehalten und die Jugendlichen rotieren. So lernen sie auch, aufeinander Rücksicht zu nehmen.“
Orla nickte. „Das klingt nach einem guten Plan. Und wenn sie so etwas noch lernen, dann ist es perfekt.“
„Sechs sind trotzdem viele. Wer soll die die denn alle beaufsichtigen?” Ronan war sich sicher, dass drei schon zu viele wären. Immerhin war das hier eine echte Werkstatt. In der man sich verletzen konnte.
“Das tun wir”, sagte Orla.
“Wer ist wir?”, fragte Ronan.
Marion lächelte. “Entschuldige. Ich habe Ronan eben erst damit überfallen und ich arbeite noch daran, dass er uns beim Projekt hilft.“
“Ich habe nur gesagt, dass ich die Werkstatt aufräume und einrichte. Von helfen war nicht die Rede.“ Seine Stimme klang schärfer als beabsichtigt. Und wenn er ehrlich war, hatte er noch nicht einmal das Aufräumen zugesagt.
Orla lächelte ihn sanft an. „Es tut mir leid. Wir sind hier auch ziemlich spontan eingefallen. Wir sind außerordentlich dankbar, dass Emerald Cliffs sich bereiterklärt hat, uns aus unserer Notlage zu helfen. Wir würden die Werkstatt auch selbst einrichten, aber der Rat von jemandem, der sich auskennt, wäre natürlich toll. Zum Beispiel war mir das mit den verschiedenen Arbeitsplätzen gar nicht klar. Aber es ergibt Sinn. Es wäre also fantastisch, wenn du mir hier und da einen Rat geben kannst. Die schwere Arbeit kann ich auch tun.“
Ronan schaute sie kritisch an. Sie wirkte nicht gerade so, als ob sie wirklich schwere körperliche Arbeit verrichten konnte. Orla fing seinen Blick auf und lachte. „Ich weiß, was du denkst, und ich hoffe, dass ich nicht den Mund zu voll nehme. Aber aufräumen kann ich definitiv. Schwere Balken schleppen hingegen weniger. Dafür ist Shane dann da.“
Ronan runzelte die Stirn. „Wer ist Shane?“
„Er leitet das Projekt und ist bei der Stiftung festangestellt. Ich bin nur so eine Art Freelancer. Aber ich habe auch schon ein paar Projekte mit betreut. Ich hoffe …“, sie winkte ab. „Ach, das ist egal, was ich hoffe. Also, Shane kommt in ein paar Tagen und kann dann auch helfen, aber ich soll schon einmal alles vorbereiten. Wenn die Jugendlichen dann da sind, kümmern wir uns um sie hier in der Werkstatt. Wir sind extra ein Mann und eine Frau, damit wir die Jugendlichen adäquat betreuen können. Die Jungs reagieren besser auf einen männlichen Ansprechpartner, die Mädchen bevorzugen natürlich einen weiblichen. Außerdem ist es dann im Haus auch einfacher mit den Jugendlichen. Ihr müsst nichts tun. Wir haben alles im Griff.”
Sie klang sehr zuversichtlich, und Ronan hoffte, dass sie es auch genauso meinte. Aus irgendeinem Grund glaubte er ihr.
„Worum geht es in dem Projekt genau?“, fragte er.
Orlas Gesicht leuchtete auf. Anscheinend sprach sie gern über das Thema. „Es ist ein EU-gefördertes Projekt. Es ist für sozial benachteiligte Jugendliche aus Dublin. Wir wollen sie aus ihrem gewohnten Umfeld rausholen, an einen Ort, der sicher und ländlich ist. Sie sollen mit den Händen arbeiten und alte Handwerkskunst kennenlernen. Das Bauen mit Holz schien uns dabei am sichersten. Besser als Schmieden.“ Sie lächelte. „Wir haben uns von einem Designer in Dublin beraten lassen, der sich für jeden Jugendlichen ein Stück ausgedacht hat. In den Wochen, in denen sie hier sind, haben sie Zeit daran zu arbeiten. Außerdem wohnen und leben sie zusammen und müssen lernen, in einer Gruppe zu funktionieren. Wir hoffen sehr, dass sie später stolz auf das sind, was sie hier geschaffen haben.“ Atemlos hielt sie inne.
Interessiert betrachtete Ronan sie. Er mochte es, wenn jemand für seine Arbeit brannte und das tat Orla auf jeden Fall.
„Es klingt großartig. Ist das das erste Projekt dieser Art?”, fragte Marion.
Orla wiegte den Kopf hin und her. „Ja und nein. Wir haben schon einige Projekte mit Jugendlichen gemacht, aber noch nie außerhalb von Dublin.”
“Und diese anderen Projekte, haben die auch in einer Werkstatt stattgefunden?“, fragte Ronan.
Orla zögerte. “Nein, leider nicht. Aber wir haben mit Tieren gearbeitet und uns künstlerisch betätigt.” Sie sagte es wie eine Frage, so als ob es ein Vorschlag zur Güte wäre.
Ronan zog die Augenbrauen hoch. “Das hier ist eine Werkstatt. Hier gibt es viele scharfe, spitze Gegenstände, die einem Menschen sehr wehtun können, wenn sie in die Hände von jemandem geraten, der damit Schaden anrichten möchte.”
Er hatte damit gerechnet, dass Orla verlegen werden würde. Stattdessen nickte sie. Ihre Haltung blieb aufrecht und selbstbewusst. “Da hast du vollkommen recht. Deswegen haben wir ja auch eine so enge Betreuung. Und wir haben uns extra in eine ländliche Region zurückgezogen, wo der soziale Druck auf die Jugendlichen nicht so hoch ist. Insgesamt hoffen wir, dass das Meer und die klare Luft, dass das alles einen positiven Einfluss hat. Die Jugendlichen lernen auch, dass ihnen Verantwortung übertragen werden kann, dass Menschen ihnen vertrauen. Diese Kinder haben schon so viel Ablehnung erfahren. Niemand glaubt an sie, sondern alle denken, dass sie immer nur darauf aus sind, Krawall zu machen. Aber das stimmt überhaupt nicht. Es sind junge Seelen, die noch auf der Suche sind.“
Das klang definitiv spirituell. Ronan runzelte die Stirn.
Orla lachte. “Okay, ich sehe an Ihrem Gesichtsausdruck, dass ich das etwas unglücklich formuliert habe. Diese Jugendlichen haben eine Menge Schlimmes erfahren. Es gibt viele Gründe, warum sie so geworden sind. Wir wollen ihnen zeigen, dass wir ihnen vertrauen und dass wir glauben sie eine Menge Potenzial haben.”
Ronan wusste, dass sie recht hatte. Sein Herz wurde schwer bei der Erinnerung. Patrick war jemand gewesen, der ihm eine Menge zugetraut hatte, während fast alle anderen ihn abgelehnt und für jemanden gehalten hatten, der nichts taugte.
“Ich verstehe”, sagte er. Die Worte kamen schwerer über seine Lippen als erwartet. Er schaute sich um. „Wenn wir hier so viele echte Werkzeuge haben, könnten wir vielleicht einen Teil von den gefährlicheren Werkzeugen auslagern und sie nach und nach dazu holen, wenn die Jugendlichen sie brauchen.
Orlas Augen leuchteten auf. „Das ist eine gute Idee. Gibt es denn Dinge, die wir am Anfang benutzen können, die nicht so gefährlich sind? Damit die Jugendlichen an das Thema herangeführt werden? Dann können wir ihnen nach und nach mehr Verantwortung übertragen, sodass sie merken, dass sie unser Vertrauen haben.”
Er bemerkte, dass beide Frauen ihn abwartend anschauten. Marion legte den Kopf leicht schief. Er merkte, dass sie immer noch auf eine Antwort warteten.
“Ich denke, das können wir so machen”, sagte er schließlich. Die Worte überraschten ihn selbst. “Wir lassen erst einmal ein paar Hämmer und Nägel da. Auch damit kann man schon Schaden anrichten, aber da müssen wir eben aufpassen. Dann arbeiten wir uns hoch. Und zum Schluss können wir vielleicht Sägen und Hobel benutzen. Aber da würde ich mich wirklich vergewissern wollen, dass die Jugendlichen dazu bereit sind.”
“Das ist wunderbar”, rief Marion erfreut. Ihre Augen strahlten. “Dann machst du also mit?”
“Das hab ich nicht gesagt”, erwiderte Ronan. “Ich sagte nur, dass ich mich vergewissern will, dass sie es richtig machen, bevor ich gefährliche Werkzeuge in jugendliche Hände gebe.”
Er sah im Augenwinkel, wie Orla und Marion einen Blick tauschten. Ein stummes Einverständnis schien zwischen ihnen zu entstehen.
Orla räusperte sich. “Mein Kollege, der die Jungs betreuen wird, hat sehr viel Erfahrung. Er hat nämlich eine Ausbildung zum Automechaniker gemacht.”
“Das ist nicht das gleiche wie eine Tischlerei”, sagte Ronan und begann, die Schraubenzieher aus der Leiste zu nehmen, damit seine Hände etwas zu tun hatten. Er merkte, dass er nicht bereit war, die jugendlichen allein hier werkeln zu lassen. Irgendwie war das seine Werkstatt und er fühlte sich verantwortlich. Gleichzeitig hasste er es, wenn Marion ihn so geschickt manipulierte, dass er Projekte übernahm, die sie anschleppte. So wie er sie kannte, hatte sie gewusst, dass er so etwas nicht ablehnen konnte.
Er zog einen der großen Schraubenzieher raus. Er hatte am Griff einen tiefen Kratzer, und Ronan erinnerte sich genau, an die Situation als er diesen Kratzer hineingemacht hatte. Sein Herz wurde schwer, als er an Patrick dachte. Die Erinnerung brannte wie eine offene Wunde. Aber er wusste auch, dass sein alter Lehrmeister das gut finden würde. Er wäre mit Begeisterung dabei gewesen, die Jugendlichen anzuleiten.
„Dieser Projektleiter ist also ein erfahrener Handwerker?“
Orla seufzte. „So würde ich es nicht bezeichnen. Er arbeitet schon seit vielen Jahren im sozialen Bereich und Projektmanagement. Aber es ist besser als gar nichts. Wenigstens weiß er, wie man mit Werkzeugen umgeht”, sagte Orla. Hoffnung schwang in ihrer Stimme mit. “Wir würden die Jugendlichen niemals alleine in der Werkstatt lassen. Und es sind ja kleine Projekte, an denen sie arbeiten können. Projekte, die ihnen Spaß machen und die sie schaffen können.“
Ronan nickte. Er nahm sich Zeit für seine Antwort, denn er wollte nicht, dass die Frauen dachten, dass er schon zusagen würde. “Es wäre schlecht, wenn die Jugendlichen ein Projekt bekommen, dem sie noch nicht gewachsen sind. Sie brauchen Erfolgserlebnisse.“
“Das sehe ich genauso!”, sagte Orla und klang überrascht. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. “Aber es darf auch nicht zu einfach sein, denn sonst haben sie das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden.”
Er nickte ihr zu. Wieder diese seltsame Übereinstimmung zwischen ihnen.
„Außerdem glaube ich, dass es eine gute Idee wäre, wenn sie zusätzlich noch ein Projekt hätten, an dem sie gemeinsam arbeiten müssen. Vielleicht könnte jeder ein Teil fertigen.“
Orlas Augen weiteten sich. „Das ist eine tolle Idee. Was könnte das sein?“
Ronan hob die Schultern. „Ich werde mir Gedanken machen.“
Orla lächelte und es erstaunte ihn, wie sehr er ihr Lächeln schon mochte. „Danke, das ist wirklich eine tolle Idee.“ Sie wandte sich an Marion. „Ich glaube wirklich, dass wir hier an der richtigen Adresse gelandet sind. Ich kann kaum glauben, dass sich nach der Absage doch noch alles so gut gefügt hat. Vor allem hätte ich nie geglaubt, dass wir eine Werkstatt finden, in der man einen Ausblick aufs Meer hat.” Sie ging zum Fenster und schaute hinaus.
Ronan warf ihr einen verstohlenen Blick zu. Er ertappte sich dabei, dass er es mochte, sie anzusehen.
“Wir wollten gerade ein wenig aufräumen”, sagte Marion. “Ronan war so nett, mir dabei zu helfen.”
Er nahm einen Schraubenschlüssel von der Wand und zwang sich, die Worte zurückzuhalten, dass er es nicht gerade angeboten hatte, ihr zu helfen, sondern mehr oder weniger emotional erpresst worden war. Aber das musste Orla nicht wissen.
“Das heißt, du kennst dich auch in der Werkstatt aus?”, fragte Orla und schaute von Marion zu Ronan. „Ihr seid aber nicht verwandt, oder?
Ronan warf Marion einen Blick zu, den sie auffing und ihm zulächelte. Blutsverwandt waren sie zwar nicht, aber Marion, Patrick und sein Bruder Mike waren manchmal mehr Familie für ihn gewesen, als seine eigene.
Marion schüttelte den Kopf und wandte sich an Orla. “Nein, mein Mann und ich hatten nie das Glück, Kinder zu bekommen. Deswegen haben wir uns immer um die Jungs in der Stadt gekümmert, die niemanden hatten.” Ihre Stimme wurde weich bei der Erinnerung.
„Wir sollten uns an die Arbeit machen. Ich muss bald wieder los“, sagte Ronan schnell, um das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken. Er wollte nicht, dass Marion Orla davon erzählte, wie er hier in Patricks Werkstatt gelandet war. Das ging sie nichts an.
„Ich habe den ganzen Tag Zeit, denn ich bin ja hier, um alles vorzubereiten. Mein Kollege kommt erst in ein paar Tagen, da er noch ein Projekt in Dublin beenden muss.“ Orla nahm die Hände aus den Taschen und kam etwas weiter in den Raum hinein. Ihre Bewegungen waren fließend und selbstsicher.
Ronan hob die Schultern. „Ich mach das eben schnell allein.“
„Du wirst kaum allein die ganze Werkstatt aufräumen können“, sagte Marion tadelnd. “Wir können helfen.”
Ronan warf ihr einen Blick zu und hoffte, dass sie verstand, dass er keine Hilfe brauchte und lieber seine Ruhe haben wollte. Aber im Moment war Marion offensichtlich schwer von Begriff, denn sie lächelte ihn freundlich an.
„Ja, das ist kein Problem.“ Orla wischte sich die Hände an den Shorts ab. Eine nervöse Geste. “Wenn Sie mir einfach sagen, was ich tun soll, packe ich mit an. Ich bin stärker, als ich aussehe.”
Sie lächelte Ronan an. Er spürte, wie sein Mundwinkel zuckte. Hatte er zurückgelächelt? Vermutlich nicht. Aber ihre selbstbewusste und doch nicht aufdringliche Art imponierte ihm irgendwie.
„Oder wenn es ihnen lieber ist, kann ich mich auch ganz still hier in die Ecke verziehen”, sagte sie. „Aber ich habe nichts anderes zu tun, als die Werkstatt und das Haus vorzubereiten.“
Ronan wischte sich übers Gesicht. „Schon gut. Ich muss erst mal einen Überblick gewinnen. Ich war auch jahrelang nicht mehr in dieser Werkstatt.” Er schaute sich um. Der Geruch von altem Holz und Staub hing schwer in der Luft. “Wie wäre es, wenn Sie die Schubladen dort drüben leeren und sich einen Überblick verschaffen, was alles da ist. Können Sie Schrauben sortieren? Einfach nach Größe.“ Eine leichtere Aufgabe fiel ihm nicht ein.
Orla lächelte und ihr Augen leuchteten auf. „Das schaffe ich.“
Sie ging zu den Schubladen, zog die erste auf und begann, die erste verstaubte Schachtel herauszuholen. Ihre Bewegungen waren geschickt und zielgerichtet. Ihm gefiel, was er sah,
“Und was soll ich tun?”, fragte Marion und lächelte süß.
“Du kannst…”, setzte Ronan an, doch in diesem Moment ertönte die Musik von Star Wars. Der dröhnende Klang durchbrach die Stille der Werkstatt. Das war Marions Handy. Sie hatte schon immer einen ungewöhnlichen Geschmack für Klingeltöne gehabt. Im Moment war sie in ihrer Star-Wars-Phase.
“Da muss ich kurz rangehen.” Sie kramte hastig nach ihrem Telefon.
Orla ließ sich davon nicht stören, sondern sortierte weiter ihre Schrauben, und auch Ronan wandte sich nach kurzem Zögern wieder den Schraubenschlüsseln zu. Die Routine beruhigte ihn.
Nach einem kurzen Gespräch legte Marion auf. Ihr Gesicht zeigte Besorgnis. “Es tut mir wirklich schrecklich leid, aber es gibt einen Notfall am Hafen.”
Sie legte den Werkstattschlüssel auf die Werkbank. Das Metall klimperte leise auf dem Holz.
“Soll ich mit dir kommen?“, fragte Ronan.
“Nein, es ist kein wirklicher Notfall. Es ist nur, dass da anscheinend ein Journalist ist und Fotos machen will. Der Hafenmeister ist nicht da und ich muss einspringen.“
“Ach so.” Nein, da konnte er wirklich nicht helfen. Leider. Er wäre zu gern herausgekommen. Aber dann hätte er Orla alleine in der Werkstatt lassen müssen, und er wusste nicht, was sie dann hier anstellen würde. Möglicherweise brauchte auch sie erst mal ein bisschen Aufsicht in der Werkstatt.
“Ich bin gleich wieder da, und wenn ihr dann die halbe Stunde aufgeräumt habt“, sie nickte Ronan mit einem Augenzwinkern zu, “können wir ja vielleicht gemeinsam zu Abend essen im Pub. Ich lade euch ein.”
“Ich hab schon was vor”, sagte er. Die Worte kamen automatisch. Er würde ganz sicher nicht mit Marion und Orla essen gehen. Er brauchte erst mal seine Ruhe zum Nachdenken.
Diese Frau war heute viel zu oft in seinen Tag eingebrochen. Nicht, dass sie unangenehm war, aber Ronan war es nicht gewohnt, zu viele Überraschungen zu erleben. Das war ein Leben, das er hinter sich gelassen hatte. Er war nach Emerald Cliffs zurückgekommen, weil er die Beständigkeit hier gesucht hatte. Das Vertraute. Die Dinge, die sich niemals ändern. Und das Projekt jetzt, das war etwas, was sich änderte.
Marion seufzte, als ob sie mit dieser Antwort gerechnet hätte. Sie wandte sich an Orla. “Ist das für dich in Ordnung, wenn ich dich in der Werkstatt allein lasse?“
Orla lächelte. Es war warmes, beruhigendes Lächeln. “Ich bin ein großes Mädchen, Marion. Das kriege ich hin. Und Ronan hilft mir bestimmt weiter, wenn ich etwas nicht weiß.”
“Vielleicht könnt ihr schon einmal besprechen, was noch angeschafft werden muss”, sagte Marion. “Dann könnten wir das in den nächsten Tagen besorgen.”
Sie winkte und verließ den Raum. Der Wind riss ihr die Tür aus der Hand und sie fiel laut ins Schloss. „Entschuldigung!“, rief Marion von draußen.
Dann waren sie allein.
* * *
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❤️ich liebe es jetzt schon
Das freut mich sehr, liebe Kerstin!
Hallo Julia. Du hast mit den ersten 3 Kapiteln wieder voll meinen Geschmack getroffen und ich bin schon gespannt wie es weitergeht.
Aber ich habe eine Frage☺️, wahrscheinlich hab ich es einfach verpasst🙈, aber von welcher Reihe ist das der Fortsetzungsroman?
Liebe Ines,
wie schön, dass es Dir gefällt! Das ist Band 1 von einer neuen Reihe, die in Irland spielt. Aber es ist die gleiche Welt wie Carolina Creek. Und da ist durchaus noch mehr in Planung.
Liebe Grüße,
Julia
Hallo Julia, das ist spannend!!!!
Ich freue mich auf das nächste Kapitel nächste Woche.
Liebe Grüße und noch viel Spaß mit deiner Schwester🤗
Ursula
Liebe Ursula,
danke Dir! Mittlerweile bin ich wieder zuhause.
Ich freue mich auch auf die nächsten Kapitel!
Liebe Grüße,
Julia
Mir gefällt die Geschichte auch sehr, aber als konstruktiv kritische Rückmeldung: du bist nicht ganz konsequent beim Duzen oder Siezen. Meiner Meinung nach sollte Orla Ronan duzen 😉
Liebe Ursula,
da hast Du vollkommen recht – das sollte sie! Das hatte ich mir auch nach dem ersten Entwurf gedacht und es dann geändert. Aber anscheinend nicht durchgängig. Das wird das Lektorat dann zum Glück richten – aber danke fürs aufmerksame Lesen.
Liebe Grüße, Julia
Hach….schwupps schon wieder mittendrin!
Wunderbar, liebe Ingrid! Genau so soll es sein.
Alles Liebe, Julia
Hallo Julia,
das ist ja jetzt schon spannend. Ich freue mich schon auf das nächste Kapitel.
Liebe Grüße Angelika
Danke Dir, liebe Angelika!
Ich freue mich auch schon sehr auf die nächsten Kapitel.
Liebe Grüße, Julia
Hallo Julia,
Ich freue mich wie verrückt, dass es wieder einen Fortsetzungsroman gibt. Und ich würde sagen, bis jetzt gefällt er mir gut.
Das freut mich sehr! Ja, ich hatte mal wieder richtig Lust auf einen Fortsetzungsroman.
Liebe Grüße,
Julia
Ja ich freue mich auch schon weiter zu lesen
Lieben Gruß von Chrischa
Ich freue mich sehr, dass Du mitliest, liebe Chrischa!
Bis jetzt gefällt mir die Geschichte richtig gut. Das Setting ist wie immer toll. Ich kenne die Cliffs nur von Bilder, aber ich habe die Gegend direkt vor meinem inneren Auge. Auch die Werkstatt finde ich klasse. Ich bin wirklich gespannt, wie es weiter geht
Wie schön, dass Du mitliest, liebe Claudia! Und ja, ich mag die Werkstatt auch gern. Nicht, dass ich handwerklich sehr begabt bin, aber ich stelle sie mir toll vor.
Liebe Grüße,
Julia
Liebe Julia,
Lieben Dank für die Möglichkeit das entstehen einer Geschichte begleiten zu können.
Ich liebe diesen letzten Teil in Kapitel 3, das Tor rumst zu und von draussen das “Entschuldigung” der Bürgermeisterin… Ich musste so schmunzeln.
Freue mich auf nächste Woche!
Liebe Nicole,
das ist so lustig, ich musste selbst schmunzeln, da mir so etwas ständig passiert. Wir haben auch ein großes Hoftor und irgendwie fällt es mir oft aus der Hand.
Danke fürs Mitlesen!
Liebe Grüße,
Julia
Ich liebe deine Fortsetzungsromane. Es ist noch spannender, wenn man eine Woche warten muss. Ich freue mich schon auf nächste Woche und bin gespannt wie es weitergeht… vielen lieben Dank für all deine wundervollen Romane.
Danke Dir, liebe Corinna! Wie schön, dass Du mitliest. Und immer gern – danke, dass es Euch Leser gibt 🙂
Hallo liebe Julia,
ich habe alle Deine Bücher gelesen und erwarte jedes neue sehnsüchtig.
Dass es nun wieder einen Fortsetzungsroman gibt, finde ich klasse, er gefällt mir jetzt schon sehr gut 😊.
Dankeschön, dass ich mitlesen darf und überhaupt für all die schönen Lesestunden.
Herzliche Grüße
Claudia
Upps… schon ist wieder ein Kapitel gelesen… liebe Julia, ich freu mich so doll über den neuen Fortsetzungsroman und den Beginn einer neuen Reihe… danke dafür. Mit Spannung warte ich nun auf nächste Woche. Liebe Grüße Claudia
Liebe Julia, es ist wie immer bei all deinen Büchern…ab der 1. Seite hat mich das Buch in seinen Bann gezogen und nun kann ich die Fortsetzungen kaum erwarten!!!😵💫🤗❤️